Hundewissen

Hundewissen

Beitragvon ABN » So 2. Sep 2018 22:54

Auf der Internet Seite meines Sportvereins wollten wir eine Vereinszeitung veröffentlichen ... leider schon nach der ersten Ausgabe war es klar, dass sich niemand dafür interessiert :(
- warum interessieren sich viele Hundeleute eigentlich gar nicht für Hundethemen? -
Ich werde meine 2 Beiträge hier posten in der Hoffnung, dass es Interessenten gibt und dass auch andere Forum Mitglieder Lust bekommen ihr Wissen zu teilen ;)
VG, Anna
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Re: Hundewissen

Beitragvon ABN » So 2. Sep 2018 23:02

Forschung trifft Hund

Udo Gansloßer und Kate Kitchenham: Forschung trifft Hund. Neue Erkenntnisse zu Sozialverhalten, geistigen Leistungen und Ökologie. Kosmos Verlag, Stuttgart 2012.

Die Autoren haben in 11 Kapiteln ebenso viele Forschungsgebiete zum Thema Hund zusammengefasst. In färbig hervorgehobenen Textteilen werden abwechselnd die verschiedenen Studien genau geschildert oder die Forscher vorgestellt. Es folgen einige Auszüge aus dem Inhalt.

Die Anfänge. Der älteste Knochenfund eines Hundes, der aus Ostsibirien stammt, ist zirka 33.000 Jahre alt und schon 12.000 v.Chr. wurden Hunde mit ihren Menschen bestattet. Seit 2010 weiß man, dass der Hund vom Grauwolf des Jordanlandes abstammt und von der „Wiege der Menschheit“, dem Mittleren Osten, verbreitete er sich, zusammen mit dem Menschen, in die ganze Welt – sogar über die Beringstraße nach Amerika. Es wird aber vermutet, dass der Wolf sich schon vor über 100.000 Jahren in der Nähe der Menschen aufhielt und der Grund, warum er geduldet wurde ist wahrscheinlich, dass er die Siedlungen dadurch sauber hielt, dass er die menschlichen Exkremente fraß … was uns heute so erfreut!

Irgendwann fingen die Menschen an Rassen zu züchten. Was unterscheidet die Rassen und was nicht? Bei der Fähigkeit selbstständig Probleme zu lösen fanden die Forscher keine Unterschiede, bei der Kooperation mit dem Menschen waren Jagd- und Hütehunde deutlich besser. Diese schnitten auch bei Trainierbarkeit und Lernbereitschaft deutlich besser ab. Während Furchtlosigkeit und Neugierde geerbt werden, sind die Grundpersönlichkeitsmerkmale zu ⅔ von der Umwelt beeinflusst und lediglich ⅓ wird geerbt. Die Fellfarbe kann aber das Verhalten beeinflussen: schwarze und dunkle Hunde sind generell psychisch stabiler als hellgelbe und rötliche Hunde, die im Allgemeinen stressanfälliger, nervöser und aggressiver sind.

Was lange Zeit für richtig gehalten und auch in die Hundeerziehung mit einbezogen wurde, ist mittlerweile überholt: es besteht kein Zusammenhang zwischen Rangordnung und Futterzugang. Wer am meisten oder zuerst frisst, wird situativ entschieden.

Hunde interessieren sich hauptsächlich für ihnen unbekannte Gerüche, bzw. für Markierungen von unbekannten Hunden. Urin von intakten Hunden – sowohl männlichen als auch weiblichen – ist interessanter als Urin von kastrierten Tieren. Zuerst wird mit dem rechten Nasenloch geschnuppert. Sollte der Geruch aufregend sein, bleibt man beim rechten Nasenloch, also bei der linken Gehirnhälfte. Bei neutralen Gerüchen dagegen wird mit dem linken Nasenloch weiter analysiert.

Im Buch wird viel über Stress berichtet. Im Alltag ist es gut zu wissen, dass Hunde weniger Stress haben, wenn sie trotz Maulkorb frei laufen können, als wenn sie an der Leine geführt werden.

Sind Persönlichkeitstests an Welpen und Junghunden unter 18 Monaten sinnvoll? Nicht wirklich. Man kann zwar sehen, ob der Hund eher zu A-Typ (wagemutig) oder B-Typ (zurückhaltend) tendiert, zuverlässige Vorhersagen für das Verhalten im Erwachsenenalter können aber nicht gemacht werden.

Ein wohl erzogener Hund ist nicht nur angenehmer als ein unerzogener, er ist auch klüger: er kann nämlich leichter Probleme lösen als einer, der keinerlei Ausbildung genossen hat. Aber aufgepasst! Was Hundehalter aus Erfahrung wissen, ist nun wissenschaftlich bewiesen: Hunde wissen genau ob wir sie sehen können und gut aufpassen oder ob wir abgelenkt sind, dann handeln sie entsprechend.

Sind Hunde dümmer als Wölfe? Keineswegs! Wölfe zeigen eine schnellere kognitive Entwicklung, lernen aber im Erwachsenenalter kaum noch dazu. Trainierte Hunde dagegen können ein Leben lang Neues erlernen.

Hunde, die viel Zeit mit ihren Menschen verbringen zeigen generell eine höhere Spielmotivation und Rüden sind durchschnittlich verspielter als Hündinnen. Gut sozialisierte Hunde spielen genau so freudig mit Fremden wie mit ihren Menschen.

Ein Hund, der sich daneben benimmt oder nervt kann und muss zurechtgewiesen werden, danach soll man sich aber gleich wieder versöhnen: so machen es eben Kaniden untereinander. Den Hund nach der Zurechtweisung als Strafe zu ignorieren ist ausgesprochen falsch!

Hunde können auch zur Gefahr werden, besonders für Kinder. Die von vielen Züchtern betonte angeborene Kinderfreundlichkeit existiert nicht. Hunde und Kinder müssen von kompetenten Erwachsenen betreut werden und müssen lernen miteinander umzugehen. Analysierte Fälle von Kindertötung zeigen, dass keine Aggression im Spiel war, sondern Beutefangverhalten. Erziehung und Sozialisierung sind wichtige Faktoren um Gefahr zu minimieren, ausschließen kann man aber nichts.

Die Autoren präsentieren neue wissenschaftliche Forschungsergebnisse ohne unverständliche Fachsprache – wenn Fachtermini verwendet werden, werden sie auch erklärt. Das Buch ist hochinteressant und ich kann es nur weiterempfehlen.
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Re: Hundewissen

Beitragvon ABN » So 2. Sep 2018 23:10

Kastration und Verhalten beim Hund

Sophie Strodtbeck und Udo Gansloßer: Kastration und Verhalten beim Hund. Müller Rüschlikon Verlag, Stuttgart 2011.
Ich habe mich eigentlich nie gefragt, ob ich meinen Hund kastrieren lassen soll. Ich wäre ja nie auf die Idee gekommen ihm gesunde Organe entfernen zu lassen. Da ich aber ein „Hunde-Buch-Junkie“ bin, musste ich irgendwann auch dieses Buch lesen und ich empfehle es allen, die überlegen ihren Hund kastrieren zu lassen und auch allen, die es schon getan haben: es hilft vielleicht zu verstehen warum der Hund so ist wie er ist.

Die Autoren fangen mit statistischen Daten an. Kurz: laut Hundehaltern werden die meisten Hündinnen „aus medizinischen Gründen“ und die Rüden „aus Verhaltensgründen“ kastriert.
Danach wird der Unterschied zwischen Kastration und Sterilisation erläutert. Die Kastration ist die Entfernung der Geschlechtsorgane, während bei der Sterilisation die Geschlechtsorgane intakt bleiben und nur die Ausführgänge unterbrochen werden (Rüde: Vasektomie, Hündin: Oviduktomie). Bevor man sich für eine endgültige Kastration entscheidet, wird eine chemische Kastration (Chip) empfohlen da diese nur eine zeitlich begrenzte hormonelle Unterdrückung darstellt.

Frühkastration, d.h. den Hund vor Ende der Pubertät zu kastrieren, ist absolut abzulehnen. Jeder weiß, wann die Pubertät anfängt, aber wann endet sie? Erst dann, wenn der Hund körperlich und geistig voll erwachsen ist. Als Faustregel gilt für die Hündin die Zeit nach der dritten Läufigkeit, für den Rüden wenn er etwa so alt ist wie eine Hündin derselben Rasse bei der dritten Läufigkeit. Bei manchen Rassen (z.B. Herdenschutzhunden) erst mit 4 bis 4½ Jahren. Wenn frühkastrierte Hunde erwachsen sind, leiden sie häufiger an Gelenkserkrankungen, Kreuzbandrissen, Herzschwäche oder Kreislaufproblemen. Dramatische Auswirkungen treten auch im Gehirn ein: der geistige Zustand in dem sich der Hund zur Zeit der Kastration bereits befindet (von hormonellem Ungleichgewicht verursachte Unsicherheit, Stressanfälligkeit oder Aggressivität) wird „festgeschrieben“ und der Hund reift geistig nicht weiter.

Im nächsten Teil des Buches wird erklärt welche Hormone welches Verhalten beeinflussen und somit wird erklärt warum Kastration meistens keine Lösung für Verhaltensprobleme darstellt. Im Gegenteil, sie kann solche verursachen. Ein Beispiel: Sexualhormone haben eine dämpfende Wirkung auf das Stresshormon Cortisol. Nach der Kastration ist der Hund stressanfälliger und kann, unter Anderem, depressiv werden, Lern- und Gedächtnisschwäche, Konzentrationsprobleme sowie Angstaggression entwickeln.

Es folgen zwei Kapitel über Kastrationsgründe von jeweils Rüde und Hündin. Das Markierverhalten der Rüden wird oft als Kastrationsgrund angegeben, leider ist aber nur in den seltensten Fällen eine Änderung zu beobachten. Hündinnen werden oft kastriert um Gebärmutterentzündungen und Gesäugekrebs vorzubeugen. Gebärmutterentzündungen zeigen aber klare Symptome und können behandelt werden. Gesäugetumore werden hauptsächlich durch Übergewicht und zu energie- und eiweißreicher Ernährung im ersten Lebensjahr verursacht, daher können sie auch in kastrierten Hündinnen entstehen.

Kastration hat eine negative Wirkung auf Jagdmotivation und Angst: der jagdmotivierte Hund wird nach der Kastration noch jagdbegeisterter sein und der Ängstliche noch ängstlicher!

Es gibt aber tatsächlich auch Fälle in denen eine Kastration notwendig wird. Bei der Hündin sind es Gebärmutterentzündungen oder Tumore, einige Formen von Diabetes, oder Hündinnen, die unter Scheinschwangerschaft oder –mutterschaft extrem leiden oder solche, die das ganze Jahr so intensiv duften, dass sie von Rüden dauernd belästigt werden. Bei Rüden ist eine Kastration bei Hoden- oder Analtumoren notwendig.

Eine Kastration hat viele Nebenwirkungen. Der Grundstoffwechsel verringert sich, der Appetit wird aber größer. Das Ergebnis ist Gewichtzunahme mit begleitenden Nebenerscheinungen wie Diabetes, Herzkreislauf- und Gefäßverschlusserkrankungen, Verdauungsproblemen, Harnsteinbildung, Haut- und Gelenkerkrankungen sowie Harninkontinenz bei ca. 30% der kastrierten Hündinnen. Das Risiko, Hüftgelenksdysplasie zu entwickeln, ist bei kastrierten Hunden deutlich höher und Kreuzbandrisse sind doppelt so häufig. Rüden sind von Muskelabbau und Bindegewebeschwäche betroffen. Milz-, Knochen-, Herz- und Perianaltumore sind bei kastrierten Hunden deutlich häufiger – Herztumore bei Hündinnen sogar vierfach. Prostatatumore sind drei Mal häufiger als bei intakten Rüden. Auch die Fellbeschaffenheit ändert sich. Bei Hündinnen tritt häufig eine Verstärkung der Unterwolle auf, bei Rüden wird das Fell stumpfer und flauschiger. Kastrierte Hunde sind für Altersdemenz anfälliger aber auch für Angst und Stress. Bei Hündinnen wird ein 60-prozentiger Anstieg der Resourcenaggression beobachtet.

Wenn man aber einen kastrierten Hund hat, dann müsste man einiges berücksichtigen. Wegen des beeinträchtigten Bewegungsapparats sind Bewegung, Physiotherapie, Schwimmen oder Krankengymnastik sinnvoll. Da die Hirnfunktion eher eingeschränkt ist, sollte der Hund auch geistig gefördert werden z.B. mit „Intelligenzspielen“, Zielobjektsuche und Ähnlichem. Bei den meisten Hunden ist auch Stressmanagement-Training notwendig und die Ernährung muss ohnehin angepasst werden.

Fazit: besser nicht kastrieren! Oder nach dem Verhaltensbiologen Kurt Kotrschal: „Wer mit der Sexualität seines Hundes nicht klarkommt, soll sich keinen halten.“ (S.15).
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Re: Hundewissen

Beitragvon Fritz » So 2. Sep 2018 23:16

ABN hat geschrieben:Auf der Internet Seite meines Sportvereins wollten wir eine Vereinszeitung veröffentlichen ... leider schon nach der ersten Ausgabe war es klar, dass sich niemand dafür interessiert :(
- warum interessieren sich viele Hundeleute eigentlich gar nicht für Hundethemen? -
Ich werde meine 2 Beiträge hier posten in der Hoffnung, dass es Interessenten gibt und dass auch andere Forum Mitglieder Lust bekommen ihr Wissen zu teilen ;)
VG, Anna


Hallo,
warum sollen sich Menschen in einem Sportverein nun gerade für Hundethemen interessieren :?: :?:
Aber warum glaubst Du, daß Hundeleute sich nicht auch für Themen interessieren ,
welche sich mit Hunden beschäftigen :?: :?: :?:
In einem Hundeforum , oder anderen Foren,
teilen ständig Menschen ihr Wissen.
Doch vielleicht überforderst Du die Menschen
mit deinen langen Berichten :?:

Fritz.
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Re: Hundewissen

Beitragvon ABN » Mo 3. Sep 2018 00:44

Fritz hat geschrieben:Hallo,
warum sollen sich Menschen in einem Sportverein nun gerade für Hundethemen interessieren :?: :?:
Weil es sich um einen HUNDEsportverein handelt!
Fritz hat geschrieben:Aber warum glaubst Du, daß Hundeleute sich nicht auch für Themen interessieren ,
welche sich mit Hunden beschäftigen :?: :?: :?:

Weil es tatsächlich so ist, dass viele Hundeleute sehr wenig bist fast nichts über Hunde wissen!
Fritz hat geschrieben:In einem Hundeforum , oder anderen Foren,
teilen ständig Menschen ihr Wissen.
Doch vielleicht überforderst Du die Menschen
mit deinen langen Berichten :?:


Wie schon gesagt die 2 Beiträge (oben) sind die, die ich für die HUNDEZeitschrift der HUNDESportverein verfasst habe. In einer Zeitschrift sind viele Artikel länger als 5 Zeilen :o
Es handelt sich um die Präsentation von 2 Büchern: wenn ich etwas vom Inhalt berichte können die Leser entscheiden, dass sie schon genug erfahren haben oder dass sie mehr wissen wollen und das ganze Buch lesen möchten.
Wenn du überfordert bist brauchst du nicht lesen, bist ja nicht verpflichtet!
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