Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Gudrun » Fr 28. Nov 2008 21:17

Hallo alle miteinander,

bei uns im Ort hat ein über 60-Jähriger seit einem Dreivierteljahr einen Tierheimhund, der ausgesetzt gefunden worden war. Ein schöner, kräftiger Hund von etwa 1 Jahr im 35-40 kg-Format, wahrscheinlich gemixt aus Rhodesian Ridgeback und Labrador Retriever.

Dieser Hund hat in Wildemann bereits mehrere "kleinere" Beißunfälle verursacht (von 5 weiß ich), die zwar für die Betroffenen z.T. für Wochen schmerzhaft waren, aber niemanden entstellen. In einem Fall wurde das Ordnungsamt informiert. Der Amtstierarzt des Kreises kann keine Aggressivität erkennen. Gegenüber Männern und großen Jungs hat der Hund aber bislang auch selten aggressives Verhalten gezeigt.

Die Situationen sind immer nachträglich erklärbar, die Opfer meist ihm fremde Frauen, einmal ein Mädchen, einmal ein Herr. Der Hund beißt in Gesicht, Hand, Arm oder Bauch, weil ihm PLÖTZLICH das Verhalten der Person missfällt. In einem Fall hätte die Frau nicht an Herrchens Tür klingeln dürfen - territoriales Verteidigen. Einmal hat sich jemand auf die Küchenbank setzen wollen, unter der dummerweise gerade sein Futter lagerte - Verteidigung seiner Ressource. Einmal wollte jemand seine Gunst erlangen, indem er ihm aus seinem Futternapf Bröckchen reichen wollte, der zu dem Zeitpunkt bei uns im Hundewald stand, wo wir zu mehreren gerade bastelten - dasselbe. Einmal definierte er ohne irgendein vorheriges Anzeichen einen Zweig, der hinter Herrchens Motorsägearbeit weggesammelt werden sollte, als seinen, den man bzw. frau nicht hätte anfassen dürfen - Verteidigung eines potentiellen Spielzeugs. Einmal biss er jemanden im Laden in die Hand, der Herrchen schnell etwas über die Ladentheke reichen wollte - vielleicht sah er dies als Bedrohung an, als ausholen zum Schlag.

Der aktuelle Besitzer hatte früher eine Schäferhündin, der er nach eigenen Angaben nicht den Futternapf wegnehmen konnte, sonst hätte sie selbst ihn gebissen. Zu meiner Idee, den jetzigen Hund draußen nur noch mit Mauli frei zu lassen, meinte er, das könne er nicht machen, da der Hund völlig ausrasten würde, sobald er ihm den Maulkorb wieder abnähme. Da der kontrollierende Amtstierarzt nun auch noch festgestellt hat, dass dieser Hund keinen aggressiven Eindruck mache, ist für den Besitzer alles im Guten. Keinerlei Auflagen, kein gefährlicher Hund. Der nächste Unfall ist vorprogrammiert.

Für einen Hundetrainer hätte er 1. kein Geld und 2. sieht er selbst ja die Notwendigkeit nicht, da sich der Hund in den meisten Situationen ja völlig normal verhält. Aus seiner Sicht sind entweder die Opfer selbst schuld oder er hätte halt besser acht geben müssen, gibt sich selbst die schuld. Und die Gebissenen sollen sich nicht so anstellen, hat ja nur ein wenig geblutet... Immerhin hat er jetzt eine Haftpflichtversicherung. Toll für Gebissene. Wenn ihm überraschend im Wald jemand begegnet, so dass er seinen Hund nicht mehr zurückrufen und anleinen kann, ruft er den Leuten von weitem zu, sie mögen bitte kurz still stehen bleiben, damit der Hund schnuppern kann. Mehr passiert dann angeblich auch nicht - bis jetzt.

Was kann man tun?

Eher theoretische Frage v.a. an die Trainer unter Euch: Wie würdet Ihr vorgehen, wenn Ihr von diesem Herrn den Auftrag erhalten würdet, zu helfen?

VG Gudrun
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Re: Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Jenni » Sa 29. Nov 2008 13:15

Hallo Gudrun,

abgesehen davon dass es schwierig ist, weil Herrchen ja wohl keine Not sieht, würde ich, ohne es gesehen zu haben so oder so ähnlich vorgehen:

Da ich vermute, dass das Kerlchen sehr selbstbewußt ist, liegt hier wahrscheinlich der Knackpunkt darin, dass er sich in sehr hoher Verantwortung sieht, Dinge zu regeln. Er ist also nicht böse oder unerzogen, er ist einfach nur auf einem schlechten Posten.
Hört sich für mich fast so an, als wäre er auf der Beta-Position mit Vormarsch auf die Alpha-Position, wenn er die nicht schon in einigen Situationen hat!?
So wie Du schreibst, klingt er nicht ängstlich, also ist es eine Dominanz-Aggression. Dem kommst Du ja nicht bei mit irgendwelchen Unterbrechungen von entsprechenden Situationen, sondern DIESEN Hund müsste ganz klar und souverän zurück gestuft werden.

Herrchen müsste eine Liste machen und aufschreiben, wann der Hund was entscheidet, um das Punktsystem wieder zu Herrchens Heimspiel werden zu lassen. Dann:


- Maulkorbtraining
- Hund wird nicht mehr begrüßt
- Hund wird nur noch aus der Hand oder dem Futterbeutel gefüttert
- Hund wird nur noch für Arbeit gefüttert
- Er dürfte z. B. nicht mehr mit zur Tür wenn es klingelt
- Hier würde ich tatsächlich die "Dominanzschiene" fahren
- Er dürfte nichts mehr selbst entscheiden
- zur Not Sicherung durch Leine
- Aufmerksamkeit gibts nur noch für gutes Benehmen

Wobei ich einfach auch glaube, dass der Hund so ist, wie er ist, weil er einfach keinen "Pac-Leader" hat.
Das Buch von Ceasar Millan würde ich dem guten Mann empfehlen *lach*... sehr gut!!

Lieber Gruß

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Re: Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Gudrun » Sa 29. Nov 2008 15:40

Hallo Jenni,

bei mir wäre der Hund ganz anders, so wie die RR-Hündin Kira bei mir ganz anders war als da, von wo sie ins Tierheim sollte. Nun ist Herrchen erstens nicht einsichtig, zweitens einer, der sich auch in zwischenmenschlichen Beziehungen gut ausnutzen lässt, eigentlich immer zu nett, drittens einer, der von seinem Hund "Partnerschaft und keinen Sklavengehorsam" erwartet (auch um den Preis von Herrchens Unterordnung - Hauptsache keine Befehle an den Hund) und der viertens nur dann überhaupt und das völlig falsch auf den Hund einwirkt, wenn dieser gerade gebissen hat. Dann rennt er wütend hin und tritt nach ihm. Hund weicht aus, so gut er kann, klappt aber wohl nicht immer.

Auf meine Frage, wieso er denn nur 3-einhalb Fangzähne habe, erklärte er mir, das sei wohl beim Fichtenzapfenkicken passiert. Glaub ich das? (Meine Idee, den abgebrochenen, sicher schmerzenden Zahn wenigstens überkronen zu lassen, stieß auf wenig Verständnis - zu teuer!)

In diesem Fall hat das Tierheim definitiv dem falschen Menschen einen wahrscheinlich woanders schon dominant gewordenen Hund mitgegeben. Ach ja, er selbst sei anfangs auch des öfteren von ihm gebissen worden. "Wenn er Euch erst einmal kennt, hört das auf."

Was kann man tun, außer demnächst Gebissene zu ermutigen, SOFORT Anzeige zu erstatten, auch wenn sie den Besitzer mögen?

Nach wie vor etwas ratlose Grüße

Gudrun, die lieber den nächsten Beißunfall verhindern würde.
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Re: Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Jenni » Sa 29. Nov 2008 18:27

Uiuiui... das hört sich echt nicht gut an!

Aber das ist es ja. Da ist der Rotti von Nachbarns, der zwei Jahre lang vom Westi geärgert wird. Dann ist Rotti einmal frei und Westi kommt dazu. Rotti packt Westi und verletzt ihn. Rotti bekommt Maulkorbzwang.

Und dann sind da Hunde wie dieser... der schon mehrfach gebissen hat, Menschen die immer wieder den Mund halten und vielleicht einfach ein Ordnungsamtmensch, dens nicht interessiert und dann geht das immer weiter so.

Haben wir hier auch... interessanterweise auch ein Rhodesian Ridgeback (Weimaraner) Mischling. Der hat auch schon mehrfach Menschen und Hunde gebissen. Der Besitzer ist allerdings ein alteingesessener Bauer, der jeden Mittwoch mit dem Ordnungsamtmenschen am Stammtisch sitzt... Kannst Dir vorstellen, was da passiert?? Gar nichts!

Du wirst da nicht viel machen können. Man könnte nochmal versuchen den Tschu zu informieren.
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Re: Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Kiara » Sa 29. Nov 2008 18:31

Ich sehe auch keine Chance, am Sturkopf des Mannes vorbeizukommen.

Vielleicht kannst du herausfinden, aus welchem Tierheim er den Hund hat und selbiges informieren? Wenn sie verantwortungsbewusst sind, da schauen sie sich den Fall vor Ort an und handeln dann hoffentlich dementsprechend.
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Re: Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Gudrun » Sa 29. Nov 2008 23:30

Hallo Elo,

Du bist ein Schatz! Aber was würdest Du ihm sagen oder vorschlagen, wenn er doch alles völlig normal findet? In 999 von 1.000 Situationen ist sein Hund ja auch völlig normal. Beißt ja nur jeden 2. Monat, so die bisherige Statistik :-(

Hundetrainer sind für ihn alle nur "Geldschneider" und "Klugscheißer". Ich habe schon stundenlang auf ihn eingequatscht und mir von anderen hier im Ort ein mitleidiges "Gibs auf! Da könnteste ebensogut gegen 'ne Wand quatschen" abgeholt. Offenbar haben auch andere mit ihm schon ähnliche Gespräche versucht, wie ich, mit genauso wenig Erfolg. Wenn es um andere Dinge geht, ist er aber sehr nett und hilfsbereit. Das muss man eben auch wissen.

Wie könnte Deine Hilfe aussehen?

Neugierige Grüße

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Re: Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Kiara » So 30. Nov 2008 01:09

Was ich nicht verstehen kann, wie man bewusst die Gefahr eingehen kann, dass der Hund Menschen beißt. Natürlich ist es ein langer Prozess, sich selbst einzugestehen, dass der eigene Hund gefährlich ist. Doch dann gehört der Hund gesichert. Es ist toll, wenn er ihn behält und mit ihm und für ihn kämpft. Doch bis da wieder alles halbwegs im Lot ist braucht er a) Hilfe, b) die klare Sicht, was alles passieren könnte (hat der Mann Kinder?!) und c) jemanden, der ihn wachrüttelt.

Sein Hund scheint unberechenbar zu sein und bis er nicht garantieren kann, dass sein Hund keinen Menschen beißt, sollte er mit Maulkorb laufen. Auf der einen Seite verstehe ich es, auf der anderen Seite macht es mich gerade extrem wütend. Denn in unserem Bekanntenkreis ist ein Kind, das als Kleinkind ins Gesicht gebissen wurde. Jetzt, über 5 Jahre später ist sie erst wieder in der Lage, mit viel Vorsicht und Sicherheitsabstand einen Hund zu streicheln und nur der exzellenten ärztlichen Versorgung und dem Eingreifen von Zeugen ist es zu verdanken, dass bis auf eine kleine Narbe und einem Seelenknacks nichts Schlimmeres passiert ist.
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Re: Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Gudrun » So 30. Nov 2008 03:34

Hallo Kiara,

nein, keine Kinder. Auch seine 10-jährige Beziehung hat er gerade beendet. Der Hund bedeutet ihm wirklich viel. Er lässt ihn jetzt weniger unter Menschen, sperrt ihn öfter in seiner kleinen Wohnung ein, versucht Wege zu gehen, auf denen er mit ihm alleine ist. Besucher hat er immer weniger, da sich solche Dinge rumsprechen. Aber genau das führt früher oder später zum nächsten Unfall, denn irgendwann ist wieder jemand in der Nähe des Hundes und macht einen Fehler aus Sicht des Hundes und wie der zupackt um "Lass das!" zu sagen, wissen inzwischen mehrere aus eigener Erfahrung.

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Re: Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Jenni » So 30. Nov 2008 20:18

Das schlimme ist ja, dass der Hund sich - aus seiner Sicht - wahrscheinlich völlig richtig verhält. Ich bezweifle stark, dass der einen Schuss hat. Der benimmt sich sicher nur seines Status entsprechend. Ojeoje, noch so eine tickende Zeitbombe... ich verstehe auch nicht, was einige Leute bereit sind zu risikieren und wie viel Leidensdruck die teilweise aushalten, bis sie dann wirklich mal tätig werden.
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Re: Hund beißt, um sich gegen Menschen durchzusetzen

Beitragvon Gudrun » Fr 9. Jan 2009 12:40

Hallo Ihr,

besagter Hund wurde gestern eingeschläfert. Vorgestern Nacht kam sein Herr akloholisiert nach Hause, obwohl er doch weiß, dass der Hund Menschen mit Alkoholfahne nicht mag, (womit er sich selbst gleich wieder die Schuld gibt), und bekam dafür einen Arm übel zugerichtet. Schließlich hat der Hund auf seinem blutüberströmten Opfer gesessen und seinen Sieg genossen. Seine Ex hatte den lautstarken Überfall aus der Wohnung drunter mitbekommen und gottlob Hilfe organisiert. Der Herr kam ins Krankenhaus. Um den Hund kümmerte sich der Tierschutz, der tags drauf das Einschläfern veranlasste, da so ein Hund mit solch einer Vorgeschichte nicht vermittelbar sei. Ich hoffe, der Herr wird wieder vollständig gesund. Es hätte noch schlimmer kommen können, zumal, wenn ein Unbeteiligter das Opfer geworden wäre, womöglch ein Kind.

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