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Wie verhelfe ich diesem Hund und mir zu mehr Sicherheit?

BeitragVerfasst: Sa 27. Jun 2009 19:26
von Fusselflitz
Hallo zusammen und vorab entschuldigung für den Roman, der folgt, aber ich glaube, dass man die ganze Geschichte kennen muss um etwas dazu sagen zu können. Daher hier erst die Hauptdarsteller:

Ich (w,26) bin Anfang diesen Jahres umgezogen in ein 3-parteien-Haus inkl. Vermieter im Erdgeschoss. Das Haus hat einen Hof und hinter dem Haus gibt es einen Garten samt Zwinger. In diesem lebt zeitweise

Ira (w, belgischer Schäferhund, 18 Monate alt), die im Augenblick in der Ausbildung zum Sprengstoffsuchhund pausiert, weil ein andrer Hund wohl zuerst ausgebildet werden soll. Wenn ich alles richtig verstanden habe, war sie zuvor in einem Zwinger irgendwo mittem im Wald im Zuge dieser Ausbildung - praktisch von Amtswegen aus. Das hat sie wohl gar nicht gut verkraftet, so dass man eine Notlösung gefunden hat, indem mein im Ruhestand befindlicher Vermieter sie bei sich aufgenommen hat. Der Führer holt sie zum Training dann regelmäßig ab.

Ich sollte dazusagen, dass mein Vermieter selbst kein Hundeführer ist oder war und ich selbst hatte zwar immer mit Hunden zu tun aber eher in zweiter Reihe und Ira überfordert mich ein bisschen.


Unsere ersten Begegnungen waren ziemlich laut und ziemlich beängstigend bis hin zu regelrechten Versteckspielen. Ira kam angeschossen, wenn sie im Hof etwas gehört hat, hat sich fürchterlich aufgeregt und wild gebellt - aber auch nicht mehr. Sie blieb immer auf rund 2m Distanz wie von einem unsichtbaren Puffer gehalten und sobald ihr Herrchen ein Wort sagt, verzieht sie sich sofort zu ihm und es herrscht Ruhe. Dabei ist sie extrem unterwürfig, zieht sofort den Schwanz ein und senkt den Kopf, wenn eine Ansage vom Herrchen kommt (der würde ihr nie was tun...).

Leider ist das Ganze vor zwei Wochen dann eskaliert.
Ich wollte den Müll rausbringen, hab noch zum Fenster rausgesehn und sah den Zwinger geschlossen und niemanden draußen, also bin ich davon ausgegangen, dass der Hund entweder weg oder im Zwinger ist.
Ich war grade an den Tonnen fertig und hatte die kleine Gartentüre geschlossen, die sie vom Hof abtrennt, da geht hinter mir - hinterm Türchen - das wilde gekläffe los, nur um gleich wieder aufzuhören, weil Ira auf dem Weg ums Haus herum war, um das Hindernis zu beseitigen. Da wurd es mir schon etwas bange, also ich schnellstmöglich zurück zur Haustür und grade da kam sie um die Ecke geschossen und verdammt nah ran, bevor ich die Tür zugeschlagen hab. Der Vermieter kam gleich gelaufen, weil er mich aufschrein gehört hatte....




Danach war mir, wie man sich denken kann, nie recht wohl, wenn ich in den Hof musste. Ich hab vorher geschaut, ob sie auch nicht draußen ist etc.

Aus Hilflosigkeit hab ich mich in den kommenden Tagen teils minutenlang auf den Balkon gestellt (zeigt gen Zwinger und Garten) und mit ihr gesprochen. Irgendwann hab ich ihr (ich weiß.. alles andre als gut) auch mal ein Stückchen Fleischwurst runtergeworfen. Danach saß sie regelmäßig unten, wenn sie mich gehört hat oben, und hat erwartungsvoll zu mir hoch geschaut. Sobald ich aber im Hof auftauchte, war wieder Rabatz..

Vor rund einer Woche hab ich dann beschlossen, dass es so nicht weitergehn kann und wir uns irgendwie aneinander gewöhnen müssen. Mein Vermieter war da keine rechte Hilfe, weil er sie immer sofort weggesperrt hat, wenn ich raus kam – so ändert sich natürlich nichts an der Situation. Also hab ich angefangen mit ihr zu „trainieren“...

Hab mich auf den Balkon gestellt mit meiner Mülltüte und ihr die Tüte gezeigt: „Ich komm jetzt Müll wegbringen, da aus der Türe raus.“

Dann hab ich das Fenster über der Eingangstür im Treppenhaus geöffnet, sie gerufen, ihr wieder die Tüte gezeigt und auf die Tür gezeigt: „Da komm ich jetzt raus.“

Und dann unten die Haustür aufgemacht, sie gerufen, gewartet, bis sie da war und dann extrem langsam mit ruhigen Bewegungen raus zur Mülltonne und zurück. Bis auf einzelne Kläffattacken ging das ganz gut. Sie wandte sich dann meist ab, wenn ich an den Tonnen war und trottete sich.

Vor drei Tagen jetzt ist etwas absolut merkwürdiges passiert.

Vermieter war beim Arzt und das dauerte länger, es war abend (Futterzeit) und Ira hat im Zwinger randaliert, weil sie ihr Fressen wollte (Dann klatscht sie den Futternapf an die Gitter..). Da hab ich schon nach ihr geschaut und gut zugeredet. Eine halbe Stunde später lag sie mit Todtrauermiene vor den Stäben und guckte verloren in die Welt bzw. mich an, wenn ich rauskam auf den Balkon. Irgendwann hat mir das so leid getan, dass ich wohl einen Moment geistiger Umnachtung hatte.. jedenfalls hab ich mir zwei kleine Stückchen Putenfleisch gegriffen, die vom Essen über gewesen waren und bin runter an den Zwinger..

Ira hat nicht gebellt. Nicht einmal anstalten gemacht. Die Ohren gingen nach hinten, sie hat sich aufgesetzt und mich beobachtet. Ich hab ihr mit betont langsamen Bewegungen die Pute reingeworfen und bin etwas ratlos im Zwinger in der Hocke geblieben. Als sie dann aufgegessen hatte – ich hab mit ihr geredet – hat sie mich eine ganze Weile beobachtet, dann kam irgendwann die Nase durchs Gitter: schnüffeln. Ich ihr meine leeren Hände gezeigt: „alles leer“. Wieder einige Minuten beobachten. Und dann fing sie an, sich um zu positionieren. Erst hab ich gedacht, sie will rausgelassen werden, weil sie sich wie eine kleine Statue mit hocherhobenem, in den Nacken gelegten Kopf neben der tür gegens Gitter gepresst hat.. sie hat einen Moment gewartet, dann hat sie sich einmal gedreht und mit der rechten Seite – von der Tür weg – mit Kraft gegens Gitter gedrückt und mich aus den Augenwinkeln angesehn. Ich immer noch komplett ratlos. Dann kam die Nase wieder in meine Richtung und ich hab mich hinreißen lassen mal ganz vorsichtig die Hand etwas näher zu strecken, damit sie mich auch riechen kann – da fängt sie an, mir die Hand abzulecken. Gut, denk ich, schmeckt nach Pute. Aber Ira hört auf zu Lecken und dreht wieder um, presst sich wieder gegens Gitter und legt den Kopf in den Nacken, so dass die Schnauze senkrecht nach oben zeigt und guckt mich seitlich an. Finger hast du ja zehn, dacht ich mir und bin mal ganz ganz achtsam mit einem Finger über eine Fellbahn zwischen den Stäben gefahren – Ira absolut reglos. Dann baute sich da eine vollkommen abstruse Situation auf. Es klingt komplett bescheuert, aber ich könnt schwören der Hund hat verstanden, dass ich ihr nicht traue und sich entsprechend verhalten, mir regelrecht gezeigt, dass ich sie anfassen darf und durch wirklich abnormale Reglosigkeit ganz ganz klar gezeigt: ich tu dir nix. Immer wieder kam sie, wenn ich sie Hand zurückgezogen hab, mit der Schnauze an und hat mich abgeleckt. Hat sich gedreht und in allen erdenklichen Verrenkungen and Gitter gepresst, damit ich hier hin komm und da hin komm... inklusive Hals/Kehle und irgendwann hat sie sich auf den Rücken geschmissen und wollte den Bauch gekrault haben. Also hing ich nach ca. 30 Minuten mit einem Arm komplett im Zwinger und hab den Hund geschmust.

Da kam der Vermieter heim und als das Hoftor zu war hab ich ihm alles erzählt und gefragt, ob ich sie rauslassen darf – ja sicher. Ab da war ich irgendwie okay für sie. Sobald sie meine Stimme hört scheint sie beruhigt – kein Fremder, darf bleiben. Keinerlei Gekläffe seither. Ich darf sie auch weiterhin anfassen, auch wenn sie draußen ist, aber jedes Mal legt sie die Ohren leicht zurück und wird gradezu reglos bzw. Bewegungsarm, kommt aber gleichzeitig auf mich zu und will angefasst werden.

Ich hab sie noch nie im Zusammenhang mit mir schwanzwedeln sehen und wir haben jetzt einen Punkt erreicht, an dem es zwar insgesamt so funktioniert, aber ich bin total überfordert. Wieso freut sie sich nicht, wenn sie doch bekommt, was sie will und gestreichelt wird? Was hat diese Reglosigkeit zu bedeuten, wenn ich sie anfasse?

Jeder Rat würde mich wirklich sehr freuen, denn nachdem wir jetzt zumindest gut im selben Haus leben können, will ich eben auch, dass Ira sich dabei genauso entspannt fühlen kann, wie ich. Zudem bin ich fitter als mein Vermieter und hab schon angeboten, dass ich am Wochenende mal mit ihr Spazierengehen könnte.. ich könnte viel mit ihr machen, sie hat chronischen Energieüberschuss und der Vermieter wär froh drüber, weil er ja nicht kann.

Aber dazu muss ich verstehen, was in ihr vorgeht...


Vielen Dank für jede Hilfe!

Re: Wie verhelfe ich diesem Hund und mir zu mehr Sicherheit?

BeitragVerfasst: Sa 27. Jun 2009 19:30
von Fusselflitz
Oh, fataler Schreibfehler - Ich war natürlich nicht IM zwinger in der Hocke sondern VORM Zwinger!

Re: Wie verhelfe ich diesem Hund und mir zu mehr Sicherheit?

BeitragVerfasst: Sa 27. Jun 2009 23:06
von Kiara
Malis haben grundsätzlich ihre Eigenheiten und vor allem eine manchmal seltsame Mimik. Ich denke dennoch, dass du erst mit dem Besitzer bzw. Trainer reden solltest, bevor ihr euch weiter anfreudet. Ihm sollte ja auch daran gelegen sein, dass es dem Hund dort gut geht. Auch wenn Zwingerhaltung ziemlich daneben ist. Wie oft und wie lange kommt sie denn raus?

Re: Wie verhelfe ich diesem Hund und mir zu mehr Sicherheit?

BeitragVerfasst: So 28. Jun 2009 08:16
von Fusselflitz
Hallo grüß dich und danke dir für die Antwort,

die besitzverhältnisse werden derzeit neu geregelt, mein Vermieter hat dort angefragt, ob er sie komplett übernehmen und behalten darf.

Sie kommt viel raus. Täglich ein paar Stunden, manchmal im Hof, manchmal nimmt er sie auch mit in seinen Garten außerhalb, da ist sie dann den kompletten Tag draußen. Zusätzlich geht er mit ihr spazieren, aber er kann halt nicht mehr so, ist ja nicht mehr der jünste und am Knie operiert..
Im Grunde ist sie nur nachts im Zwinger oder wenn er einkaufen ist o.ä. und sie nicht mitnehmen kann. Sobald er sie mitnehmen kann, tut er´s.

Ich habe für mich den Vermieter als Besitzer kategorisiert - der verbringt mit Abstand die meiste Zeit mit ihr und sie ist am stärksten emotional an ihn gebunden, das ist ganz deutlich. Im Verhältnis: Ihr Führer holt sie derzeit wenn´s hochkommt einmal in der Woche und dann auch nur zum Datenabgleich, weil eben der andere Hund derzeit ausgebildet wird.

Meinem Vermieter ist sehr viel daran gelegen, dass Ira und ich gut auskommen, er wusste und weiß sich aber nicht recht zu helfen dabei.. von der Idee, dass ich mit ihr spazierengehn kann, wenn es gut läuft, war er absolut begeistert.

Also den Segen vom "Besitzer" habe ich bei der ganzen Geschichte.

Und der Führer ist etwas außen vor. Derzeit ist ja noch gar nicht klar, ob sie nicht komplett aus dem Programm rausgenommen wird..

Re: Wie verhelfe ich diesem Hund und mir zu mehr Sicherheit?

BeitragVerfasst: So 28. Jun 2009 19:18
von Lea
hallo
ich wollte mal fragen, wo denn der hund ausgebildet wird- heer, polizei, oder irgendwo anders
finde das nämlich etwas eigenartig, dass da ein junger hund angelernt, dann kurzzeitig in einem zwinger irgendwo bei einer privatperson zwischengelagert wird und dann herumüberlegt ob wie wann der abgegeben wird oder nicht...
dann würde ich, an stelle deines vermieters und auch an deiner stelle, mich mal genau erkundigen, in welchen bereichen der hund bereits ausgebildet bzw angelernt wurde- ich glaub nämlich, dass da grundsätzlich auch schutz gemacht wird mit solchen hunden (aber ab welchem alter- keine ahnung)
und falls ihr den hund dann wirklich übernehmen solltet- es wäre dann ja eigentlich euer beider hund,
würde ich mir von anfang an eine wirklich gute hundeschule suchen- dort wird vertrauen aufgebaut, bindung gestärkt und vor allem müsst ihr mal genau rausfinden, was ihr da für einen hund an der leine habt
mit stinknormalem spazierengehen ist es bei solch einem tier absolut nicht getan- der wurde ja darauf vorbereitet zu arbeiten (plus zusätzlich vielleicht aus einer arbeitslinie)
naja,war nur meine meinung
bin gespannt wie das weitergeht
lg
andrea und lea

Re: Wie verhelfe ich diesem Hund und mir zu mehr Sicherheit?

BeitragVerfasst: So 28. Jun 2009 21:12
von Jenni
Hallo Fusselfitz,

finde das auch echt interessant.

Du schreibst, Ira ist 18 Monate, also 1,5 Jahre. Sprengstoffsuchhund, wird ja wahrscheinlich Polizei sein - oder Zoll... Du sagst, sie war in einem Zwinger untergebracht, das sagt schon einiges...

Leider ist es bei diesen Hunden nicht selten folgendermaßen: Sie werden im Zwinger, mit möglichst wenig Kontakt zu anderen Hunden und Menschen gehalten, dann getestet, ob sie "anbeißen", wenn sie das nicht tun, werden sie entweder noch ein wenig "drangsaliert", weil man hofft, dass sie noch was zeigen oder sie werden eben ausgemustert. Sie scheint ja schon etwas Erziehung genossen zu haben. Diese Hunde sind meistens sehr unterwürfig und unsicher. Problem ist nicht selten, dass sie über den Wehrtrieb zu "beißen" gebracht wurden und oft auch unberechenbar sein können, weil sie mal wirklich zur Todesangst getrieben wurden. Ähnliche Situationen würden ähnliches Verhalten heraufbeschwören.

1. Du MUSST herausfinden, wie mit ihr gearbeitet wurde. Nur Grundausbildung? Schon angebissen? Wie bislang gehalten - wirklich gehalten.

Es ist nicht selten, dass diese Hunde, wenn sie als nicht gut befunden werden, quasie ausgemustert und in Privathand abgegeben werden. Das KANN zu Problemen führen.

Habt Ihr eine gute Hundeschule oder einen Trainer in der Nähe, der sich damit ein wenig auskennt? Dann wäre es nämlich ganz gut, wenn Ihr den wenigstens mal kommen laßt, damit er sich Ira mal ansehen kann. Oder Du nimmst das Verhalten auf einer Videosequenz auf und läßt es jemanden angucken, der Euch dann ein wenig was über das Verhalten sagen kann.

Ich hoffe sehr, dass sie weder über den Wehrtrieb geführt worde, noch wirklich sooo isoliert gehalten würde. Das wäre super. Auch sonst kann man sicherlich helfen, wenn Ihr einen guten Trainer findet. Sich so "bewegungsarm" zu verhalten, kann auch ein steif machen sein, was eigentlich grundsätzlich eine Drohgeste ist... aber bei einem Hund mit einer Vorgeschichte wie ihr, würde ich da auch sehr vorsichtig mit Aussagen sein. Das muss man sehen, um sich ein Bild machen zu können.

Wo kommst Du denn her? Vielleicht kennt hier jemand einen guten Trainer aus Deiner Nähe!?